Leserbrief: „Es gibt Momente, da möchte man am liebsten Laichingen ganz verlassen“
Dieser Leserbrief erreichte die Redaktion der „Schwäbischen Zeitung“ zum Thema der Maierhöfe:
Nun ist es also in weniger als 24 Stunden dem Erdboden gleich gemacht worden, das schönste und baugeschichtlich wertvollste Fachwerkhaus in den Maierhöfen, das Gästehaus des Maiers, des mittelalterlichen Gutsverwalters des Klosters Blaubeuren. Ob die Initiatoren des raschen Abrisses wussten, welches Kulturgut sie damit zerstörten? Sie hätten es wissen können.
Es gibt eine historische Expertise und eine detaillierte Beschreibung des Fachwerkhauses. Es gibt eine Liste der Fachliteratur, in der über die Bedeutung der Laichinger Maierhöfe und seiner Gebäude berichtet wird. Dies alles wurde am 23. März Herrn Bürgermeister Klaus Kaufmann und somit auch dem Amt für Bauwesen, Umweltschutz und Stadtentwicklung, aber auch anderen wichtigen Adressaten in Laichingen, zugesandt.
Wahrscheinlich ist aber, dass nur die beiden vorsitzenden Frauen des Bürgervereins Innenstadtentwicklung Laichingen (BIL) den umfangreichen Schriftsatz gelesen haben. Die Untere Denkmalschutzbehörde beim Landratsamt Alb-Donau-Kreis und das Landesamt für Denkmalpflege beim Regierungspräsidium Stuttgart haben sie auch zur Kenntnis genommen, aber leider mahlen die Mühlen des Denkmalschutzes - ebenso wie Gottes Mühlen - sehr langsam, und bevor die Behörden das Maierhof-Ensemble zum „Prüf-Fall“ erklären konnten, haben die Laichinger Abriss-Akteure ganze Arbeit geleistet. Warum sollte man sich auch mit der Geschichte eines „baufälligen Wohnhauses mit Wirtschaftsgebäude“ befassen und auf einen Bescheid der Denkmalschutzbehörde warten?
Wer aber die Entstehungsgeschichte seines Ortes nicht kennt, wird auch die gegenwärtige Situation nicht zutreffend bewerten, und er wird schon gar nicht die richtigen Entscheidungen für die Zukunft fällen. Dies gilt sowohl für die Spitze der Stadtverwaltung als auch für die politische Klasse im Laichinger Gemeinderat.
Unsereins hat in den vergangenen 21 Jahren mehrere Tausend Besucher, Laichinger und Auswärtige, durch das historische Laichingen geführt, und alle Teilnehmer haben bestätigt, dass Laichingen zwar nicht mit Blaubeuren oder Bad Urach vergleichbar ist, aber doch auch „etwas hat“. Und dieses „Etwas“ gelte es, zu bewahren und auszubauen, wurde mir versichert. Nur noch einmal, am 12. Juni, wird es (wenn die Pandemie es zulässt) eine Stadtführung geben, die ich der Volkshochschule zugesagt habe. Dann aber ist endgültig Schluss damit, denn
Es macht keine Freude mehr, die Gäste beispielsweise durch das Innere der St.-Albans-Kirche mit ihrem herausgerissenen Kirchengestühl und dem entfernten rokoko-haften schmiedeeisernen Speisegitter am Altar und mit der albernen elektronischen Anzeigetafel, die das Lutherbild verdeckt, zu führen.
Es macht keine Freude mehr, den Gästen die Pfarrzehntscheuer (nicht zu verwechseln mit der Klosterzehntscheuer) beim Pfarrhaus zu zeigen, die man ohnehin nicht sehen kann, weil sie durch eine Segeltuch-Garage, einen großen Wohnwagen und abgestellte Autos verdeckt wird.
Es macht keine Freude mehr, den Teilnehmern die Maierhöfe zu zeigen, wenn das wertvollste Fachwerkhaus aus dem 15. Jahrhundert, das Gästehaus des Maiers, künftig fehlt.
Es macht keine Freude mehr, die Webersiedlung auf dem Alenberg zu besuchen, wo immer mehr Prachtbauten die kleinen Weberhäuser verdrängen.
Und schließlich macht es auch keine Freude mehr, den Gästen in der Schulstraße zu erklären, wie man solche Betonklötze genehmigen konnte.
Es gibt Momente, da möchte man am liebsten Laichingen ganz verlassen - und dann obsiegt doch wieder die Verbundenheit mit dem Heimatort.
Heinz Surek, Laichingen